dvitiyo-padeshah
Sentence 22
dhautir bastis tatha netis tratakam naulikam tatha |"
kapala-bhatish cha-itani shat-karmani prachaksate ||22||
धौतिर् बस्तिस् तथा नेतिस् त्राटकं नौलिकं तथा ।"
कपालभातिश् चैतानि षट्कर्माणि प्रचक्षते ॥२२॥
dhautir bastis tathā netis trāṭakaṁ naulikaṁ tathā ।"
kapāla-bhātiś ca-itāni ṣaṭ-karmāṇi pracakṣate ॥22॥
Diese sind einmal: Magenreinigung (Dhauti), Dickdarmreinigung (Basti); zum anderen Nasenreinigung (Neti), Augenreinigung (Trataka), Dünndarmreinigung (Nauli), |
und letztlich Lungenreinigung (Kapalabhati). Sie werden als die sechs Handlungen (Shat-Karma) bezeichnet. ||22||
dhautiḥ = Dhauti, die Magenreinigung
bastiḥ = Basti, die Dickdarmreinigung
tathā = zum einen, zum anderen
netiḥ = Neti, die Nasenreinigung
trāṭakam = Trataka, die Augenreinigung
naulikam = Nauli, die Dünndarmreinigung
tathā = zum einen, zum anderen
kapālabhātiḥ = Kapalabhati, wörtlich: scheinender Schädel, strahlender Kopf
ca = und
etāni = diese
ṣaṭ = sechs
karmāṇi = Aktionen, Handlungen (Nom. Plural Neutrum; Grundwort: karman)
pracakṣate = werden bezeichnet, genannt
Die Reinigungsübungen finden sich auch in anderen Schriften das Hatha-Yoga.
Haṭha-Rātāvali (wörtlich: Perlenkette des Hatha-Yoga) und Haṭha-Tattva-Kaumundi (wörtlich: Mondlicht auf den Stoff des Hatha-Yoga) nennen insgesamt 8 Reinigungsübungen (Ashta-Karmani, अष्टकर्माणि, Aṣṭa-Karmāṇi). Haṭha-Rātnāvali assoziiert die Reinigungsübungen jeweils zu einem Chakra. In diesem Buch werden trotz der 8 Reinigungsübungen nur 6 Chakren beschrieben.
Spätere Bücher haben sogar noch mehr Reinigungsübungen. Die Reinigungsübungen werden nach den stufen von Samadhi, der Anzahl der Chakren, den Blütenblättern der Chakren, den Elementen des physischen Körpers oder nach Organsystem eingeteilt. In der Gheraṇḍa-Saṁhitā beispielsweise werden die Elemente mit der Reinigung verbunden. In der Śatkarma-Saṁgraha werden Mantren für die einzelnen Reinigungsübungen beschrieben. Trataka beispielsweise ist den Mantren vaṁ und glauṁ zugeordnet.
Die Gheranda-Samhita und Śatkarma-Saṁgraha beschreibt verschiedene Varianten zu den Kriyas. Beispielsweise finden sich hier Neti mit Wasser und mit Schnur, oder mehrere Variationen von Dhaut. Auch die Namen der Techniken unterscheiden in der Literatur oft.
Haṭha-Tattva-Kaumudi und Yoga-Candrikā zählt Nauli zu den Mudras. Damit wechselt Nauli von einer Vorbereitung für die Atemübungen zu den energiereichsten und kraftvollsten Übungen des Hatha-Yoga überhaupt. Mit Mudra soll die Kundalini, das schlafende göttliche Potential im Menschen erweckt werden. Umgekehrt wandert Vajroli in der Haṭha-Rātnāvali von ihrem Platz unter den Mudras zu den Reinigungsübungen.
Bei dieser Vielfalt an Namen und Formen kommt schnell das Gefühl auf, die Wissenschaft des Hatha-Yoga wäre nichts weiter als eine Anhäufung von Chaos.
Doch wenn wir den Anatomie Anlas von Andreas Vesalius aufschlagen, finden wir darin eine Nomenklatur und Einteilung, die mit der Heutigen kaum etwas zu tun hat. Dennoch würde wohl kaum einer die Anatomie als Chaos bezeichnen. Das Haṭha-Yoga beschreibt eine feinstoffliche, spirituelle Anatomie. Auch hier gab es, wie wir sehen, im Laufe der Zeit einiges an Entwicklung und Erweiterung.