The second chapter of Svatmarama’s Hatha yoga Pradipika, „Dvitiyo Padeshah“, tells us about Pranayama, Kumbhaka and Sat-Kriya as well as Sat-Karma.

Hatha Pradipika

dvitiyo-padeshah

Sentence 39

brahmadayo.api tridashah pavanabhyasa-tatparah |"
abhuvann antaka-bhyat tasmat pavanam abhyaset ||39||

ब्रह्मादयो.अपि त्रिदशाः पवनाभ्यासतत्पराः ।"
अभूवन्न् अन्तकभ्यात् तस्मात् पवनम् अभ्यसेत् ॥३९॥

brahmādayo.api tridaśāḥ pavanābhyāsa-tatparāḥ ।"
abhūvann antaka-bhyāt tasmāt pavanam abhyaset ॥39॥

Sogar die 30 Götter, beginnend mit Brahma sind, aus der Angst vor dem Tod, süchtig nach der Praxis des Pranayama
geworden. |
Deshalb soll der Yogi Atemübungen (Pranayama) praktizieren. ||39||

brahmā = einer der Hindu-Götter, der oberste der Hindu-Götter
ādayaḥ = beginnen
api = sogar
tridaśāḥ = 30
pavana = Atemübungen, Pranayama
abhyāsa = praktizieren, üben
tatparāḥ = völlig verschrieben, süchtig nach

abhūvann = wurden
antaka = Tod, Ende
bhyāt = aufgrund der Angst, wegen der Angst
tasmāt = deshalb, aus diesem Grund
pavanam = Atemübungen, Pranayama
abhyaset = er soll üben

Dieser Vers ist eine längere Betrachtung wert, denn er kann die symbolische Bedeutung von Pranayama verstehen helfen. Wir können hier erkennen, was Pranayama im Grunde bedeutet.

Unsterblichkeit der Götter im Hinduismus


Von der Unsterblichkeit selbst haben die Hindus eine andere Auffassung als der westliche Mensch [Doniger; Olivelle]. Unsterblichkeit wird hier oft mit sarvam āyus, der vollen Länge des menschlichen Lebens, gleichgesetzt. Pattabhi Jois erklärte, dass für den Menschen genau 100 Jahre im physischen Körper vorgesehen sind. Wenn wir aber den Begriff der Unsterblichkeit in der Hatha-Yoga-Pradipika generell darauf reduzieren, machen wir es uns vermutlich auch wieder zu leicht, denn vor allem in der vedischen Periode wurde es oft auch buchstäblich verstanden.

Bei diesem Satz mag es uns ferner auffallen, dass im Hinduismus die Götter nicht von Natur aus unsterblich sind, sondern dies erst erlangen müssen. Der Prozess der Unsterblichwerdung wird hier Pranayama genannt. Es gibt mindestens zwei Mythen, in denen die Götter ihre Unsterblichkeit ertrotzten:

Die Götter erlangen Unsterblichkeit durch ein Ritual


Vor sehr langer Zeit, als die Götter noch jung waren, führte Prajapati ein Ritual aus, das 1000 Jahre währte. Nachdem die übrigen der 33 Götter dies beobachtet hatten, suchten sie ihn auf und erfragten die Methode [Wilkins, Keith].
Damals waren Götter und Dämonen noch ebenbürtig und benahmen sich gleich. Meist wird von 33 Göttern in den vedischen Ritualen und Opfern gesprochen. Beispielsweise in der Brihadaranyaka Upanishad finden wir:
  • 8 Vasus
  • 11 Rudras
  • 12 Adityas
  • Indra
  • Prajapati

Warum in der Hatha-Yoga-Pradipika von nur 30 Göttern gesprochen wird, bleibt unklar. Uns interessiert jedoch, durch welches Ritual die Götter ihre Unsterblichkeit erlangten, denn das ist letztendlich die Bedeutung des Pranayama, wie es in diesem Vers aufgeführt wird. Die Legende findet sich in der <link 220>~Śaptapatha Brāhmaṅa (Brahmana von 100 Pfaden) Vers 2.2.2.14-15</link>: Durch das Entfachen des inneren Feuers wird Unsterblichkeit erlangt. Dieses innere Feuer wird durch die Atmung entzündet. Wir finden die heilige Trinität der Hindu-Mythologie, durch die jede Transformation entsteht:

  • das Geopferte (Milch, Butter, Samen, Geist, …)
  • das Operfeuer (Feuer)
  • das Aufsteigen des Rauches (Luft, die anfacht und nach oben trägt)

Das Feuerelement finden wir nicht nur in Indien als Basis für Transformation. Auch Heraklit im alten Griechenland hat das Feuer als Essenz für jede Transformation beschrieben. Es bleibt zunächst unklar, warum das Entfachen des Feuers als Quirlen bezeichnet wird.

Das Quirlen des Milchozeans


Die zweite Legende ist weithin bekannt: Samudra Maṅthan (Das Quirlen des Milch-Ozeans). In dieser Legende haben die Götter ihre Unsterblichkeit durch den Fluch eines Yogis verloren. Wieder geht es um Quirlen und wieder haben wir die gleichen Elemente. Die Götter quirlen die Milch und verinnerlichen das gewonnene Elixier. So werden sie abermals unsterblich.
Ja, es stimmt, der Fluch eines Yogi steht am Beginn der Legende. In diesen alten Zeiten waren die Yogis nicht immer nur gutmütig. Es gibt in der indischen Mythologie viele Geschichten von Krieger-Asketen und kämpferischen Yogis. Lediglich in der, durch christliche Weltanschauung beeinflussten, westlichen New-Age-Interpretation ist ein Yogi immer nur sanftmütig und ruhig.

Unsterblichkeitstechnologie


So also erklären die beiden Legenden die Unsterblichkeitstheorie des indischen Kosmos, der Natur, des Menschen und auch der Götter. Genau dieser Methodik folgt auch das Ashtanga Yoga. Wieder haben wir drei Hauptelemente:
  • Kontrollieren des Atems
  • gezielte Anwendung des inneren Feuers
  • die zu transformierende Substanz

Pattabhi Jois erklärt in seiner Yoga-Mala mehrmals den gleichen Prozess. Das Ashtanga-Yoga ist in diesem Sinne ein Tapta-Mārga, ein Weg des inneren Feuers und der Disziplin, wie er schon in vedischen Zeiten beschrieben ist [Kaelber].

Quellen:
Doniger, Wendy: The origins of evil in Hindu mythology; Seite 214 ff
Olivelle, Patrick: Amrita: woman and Indian technologies of immortality.
Wilkins, W.J.: Hindu Mythology, Vedic and Puranic; Seite10 – Kapitel II
Keith, A. Berriedale: Indian Mythology; Kapitel III: The Mythology of the Brahmanas
Kaelber, W: Tapta-Marga: Asceticism and Initiation in Vedic India; Conlcusion